: Gemeinde Großbettlingen

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Mostseminar

Mostseminar mit Dr. Klaus Hagmann vom 21.9.2024 in der Ortsbücherei Großbettlingen

Zu Beginn begrüßte Martin Orleth Herrn Dr. Hagmann und erklärte die Bedeutung der Obstwiesen für unsere Landschaft und seine Hoffnung, durch eine sinnvolle Verwertung der Früchte zu deren Erhalt oder Wiederbelebung beitragen zu können.
Darauf übernahm Dr. Hagmann und beschrieb kurz seinen beruflichen Werdegang zum Lebensmittelingenieur mit Schwerpunkt Gärungstechnik. Dann stieg er in das Thema des Tages ein, tatkräftig unterstützt von seinem Sohn und dessen Freundin. Er erzählte, dass zu Beginn seines Engagements für die lokale Mostbereitung vor über 25 Jahren die üblichen Haustrünke, die bei den Einheimischen hergestellt wurden, nach heutigen Maßstäben z.T. ungenießbar waren, was auch zum schlechten Ruf des Gärmostes beigetragen haben mag.
Zumindest war es bei der üblichen Vorgehensweise völlig zufällig, wie das Ergebnis der Mostbereitung ausfiel. Deshalb engagiert Dr. Hagmann sich privat und beruflich seit vielen Jahren, um die Kenntnisse für die Mostherstellung zu verbessern und zu verbreiten.

Wichtige Punkte, die schon zu Beginn der Saftgewinnung zu beachten sind:

Nur einwandfreies Obst verwenden. Anhaftende Erdreste und Verschmutzungen entfernen, da sie extrem viele Keime und Mikroorganismen enthalten, darunter auch Schimmelsporen, die nicht durch Pasteurisieren abgetötet werden können und zum frühzeitigen „Umkippen“ von pasteurisierten Säften z.B., in Schlauchbeuteln, führen können.
Es wurde darauf hingewiesen, dass gelagertes, mürbes Obst z.B. später im Winter, sich nicht mehr mosten lässt, weil die Früchte zu breiig sind, und der Saft nicht mehr zwischen den Fruchtfleisch-„Körnern“ nach außen gelangen kann.

Erste Maßnahme nach dem Pressen ist die Bestimmung des Zuckergehaltes (Öchsle-Waage oder Refraktometer)
Ziel-Zuckergehalt ist 60-70° Oechsle, denn vom Zuckergehalt hängt der Alkoholgehalt des späteren Mostes ab und der Alkoholgehalt bestimmt die Haltbarkeit. (Oechslegehalt : 8 = Volumenpozent Alkohol)
Aufzuckern mit Haushaltszucker. (Mengen abhängig von Saftmenge und Oechslegehalte, siehe Tabellen in entsprechenden Fachbüchern)

Zweite Maßnahme ist das Titrieren des Säuregehaltes mit Blaulauge. Ziel ist ein Säuregehalt von 6,5-7,5 g/l. Bei zu wenig Säure Zugabe von Most-Milchsäure (Tabellen), bei zu saurem Most ggf. „Verdünnen“ mit Wasser (ist natürlich suboptimal). Das Kalken, wie beim Wein ist bei Obstsäften nicht üblich.
Saft oder Most, der zu wenig Säure enthält schmeckt „langweilig“

Da nach dem Pressen sog. Trub im Saft ist, die von Pektinen aus den Zellwänden der gepressten Früchte in der Schwebe gehalten werden, sollte mit dem Enzym Pektinase eine erste Klärung erfolgen. Das Enzym wird in sehr geringer Menge (siehe Anleitung) dem Saft zugegeben, die Pektine lösen sich auf und der Trub setzt sich nach einigen Stunden ab.
Der geklärte Saft wird abgezogen und in das Gärfass gefüllt. Bei sauberer Arbeit ist zu diesem Zeitpunkt keine Schwefelung nötig.
Es sollte Reinzuchthefe (Trockenhefe 20g/100l), keine efe) zugesetzt werden, die speziell für die Weinbereitung entwickelt wurde und bei 16° – 20°C gut gärt. z.B. VIN 13.
Das Fass sollte mit einem Gärspund verschlossen werden, der eine Sperrflüssigkeit aus Kombisalzen (einer antibakteriellen Mischung von Kaliumpyrosulfit und Zitronensäure) enthält.
Schnaps, Vorlauf, nur Wasser sind als Sperrflüssigkeit ungeeignet!
Es beginnt eine Gärung in zwei Stufen: zuerst Vermehrung der Hefepilze unter Verbrauch des vorhandenen Sauerstoffes (es blubbert noch nicht, oder nur schwach im Gärspund)
Sobald der Sauerstoff verbraucht ist beginnt die alkoholische Gärung mit Produktion von CO2 (es blubbert). Die dauert ca. 2-3 Wochen. Die Zugabe von Hefenährsalz kann sinnvoll sein, wenn ein hoher Alkoholgehalt erzielt werden soll, um eine Fehlgärung zu vermeiden die Schwefelwasserstoff (H2S) bildet = sogenannter Böckser.

Wenn es nicht mehr blubbert, ist der Most noch ca. 2-3 Wochen durch die CO2 Schicht über dem Most geschützt, die geht aber mit der Zeit verloren, dann besteht die Gefahr durch Besiedlung mit z.B. Essig-Keimen oder anderen unerwünschten Keimen.
Sobald die Gärung beendet ist und sich die Hefe abgesetzt hat, sollte der Most von der Hefe abgezogen werden und möglichst gefiltert werden.
Eine Klärung mit Kieselgur und Gelatine ist bei Birnenmosten, die dazu neigen trüb zu bleiben, und bei CO2-haltigen Mosten sinnvoll. Klärungen nehmen aber immer auch Geschmack weg. (Anweisung in Fibel)
Der abgezogene und Most muss geschwefelt werden (10g/100l), da ein intensiver Kontakt mit Sauerstoff stattgefunden hat und entweder in Schlauchbeuteln oder in Schwimmdeckelfässern gelagert werden, da aus diesen eine Entnahme möglich ist, ohne dass Luft an den Most kommt.
Der Geschmack des Mostes wird beeinflusst auch von der Zusammensetzung der Früchte, aus denen der Saft gewonnen wurde.
Es wurden dann einige Mostproben angeboten, die Dr. Hagmanns Sohn allen einschenkte.
Die Proben waren alle klar und z.T. sehr unterschiedlich im Geschmack (abhängig von den Früchten, aus denen sie gemacht waren), aber durchwegs frisch und „trocken“.
Einige Proben perlten im Glas. Dieser Effekt ist allerdings nur durch einen erheblichen kellertechnischen Aufwand zu erreichen, für den spezielle teure Gerätschaften erworben werden müssen. Für den Hausgebrauch ist das vermutlich übertrieben. Die Gärung im Druckfass kann diesen Effekt nicht erreichen. Der Most schäumt beim Zapfen extrem und verliert seine Imprägnierung sofort wieder.

Auffällig waren zwei Proben, die durch die Zugabe von Johannisbeersaft bzw. Feigensaft vor der Gärung variiert worden waren.

Die von Dr. Hagmann gemachten Angaben zum Vorgehen bzw. zu eingesetzten Geräten und Materialien sind in einer kleinen roten Mostfibel (Vina Most- und Weinfibel) nachzulesen, die herumgereicht wurde. Alle empfohlenen Materialien können bei der Firma Bockmeyer in Nürtingen käuflich erworben werden.

Es wurde auch noch die Herstellung von Essig angesprochen, die als unerwünschter Effekt schon dadurch entstehen kann, wenn in warmen Sommern die Früchte schon am Baum begonnen haben zu gären und von Fruchtfliegen mit Essigbakterien infiziert wurden, was dann auch einen deutlichen Essiggeruch verursacht.
Solche Früchte dürfen nicht in den Saft!
Will man bewusst Essig herstellen, geht das mit vergorenem Most, sofern dem kein Schwefel zugesetzt wurde. Essigbakterien brauchen Sauerstoff, Wärme und Alkohol, den sie zu Essig verstoffwechseln.
Der Most wird in ein weites Gefäß gegeben, die Essigmutter dazu und das Gefäß nur mit einem Tuch zugebunden, um zu verhindern, dass Insekten hineingeraten, aber trotzdem Luftzutritt möglich ist.
Es bildet sich dabei eine schwimmende Schicht (wie nasse Watte) an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeit (Most) und Luft. Die Essigbildung läuft immer sehr langsam ab und dauert einige Monate. Manche Essig-Mutter-Typen bilden sehr dicke Schichten, was die Reaktion noch zusätzlich verzögert.

Abschließend verliehen der Referent und Martin Orleth ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Most wieder ein fester Bestandteil des Angebotes in der lokalen Gastronomie werden wird, so wie es der Äppelwoi im Hessischen schon lange ist und der Cider oder Cidre in England und Frankreich ebenfalls.